282 km / 7031 Hm / 12:22:28 h
66. (164) Gesamt
Mit 276 km (offizielle Distanz) und vor allem 7031 Höhenmetern ist das Alpenbrevet in der Zentralschweiz der derzeit schwerste Radmarathon der Alpen für Jedermänner. Eine echte Herausforderung, die ich nach 2005 dieses Jahr nochmals packen wollte.
Bezüglich meiner Form hatte ich ein gutes Gefühl. Die Woche in Frankreich hatte mir noch den letzten Schliff verpasst. So machte ich mich trotz durchwachsener Wettervorhersage am späten Nachmittag des Vortages des Wettkampfes auf den Weg nach Meiringen im Haslital. Leider steckte ich in einem Stau nach dem anderen und so kam ich letztlich erst um 23 Uhr in Meiringen an. Vernünftig Essen war also nicht mehr. Wenigstens konnte ich in einem Lokal noch ein paar Stück Kuchen ergattern. Ich übernachte bei solchen Veranstaltungen meistens im Auto. Matratze im Kofferraum, eigentlich ganz gemütlich. Allerdings klingelte bereits um fünf wieder der Wecker. Schließlich musste ich mich erst noch nachmelden und Hektik kann ich vor so einem Event sowieso nicht gebrauchen. Das Frühstücksbuffet des Veranstalters war recht reichhaltig, so dass ich das magere Abendessen ganz gut kompensieren konnte.
Gut 1300 Rennradler versammelten sich auf der Meiringer Hauptstraße, ehe pünktlich um 6:45 Uhr gestartet wurde. Etwa 300 Fahrer hatten für die lange Platin-Tour gemeldet, die Mehrheit nahm die beiden kürzeren Runden in Angriff. Die ersten 6 km bis Innertkirchen war die Strecke komplett gesperrt, so dass sich jeder gefahrlos seinen Platz im Feld suchen konnte.
Von nun an ging’s in die Vollen. Fünf Pässe, einer nach dem anderen und größtenteils richtig harte Brocken. Den Anfang machte der Grimselpass. Trotz 1500 Höhenmeter, die auf einer Länge von 26 km erklommen werden mussten, ist dieser Anstieg recht flüssig zu fahren. Ich musste mich eher zurückhalten, schließlich lagen noch ein paar Kilometer vor mir. Das Wetter hielt bis dahin einigermaßen. Zwar war der Himmel komplett bedeckt, aber es war zumindest trocken.
Die Abfahrt war schnell abgehakt, ehe es zum ersten Mal ernst wurde. Gut 1100 Höhenmeter auf 14 km führten auf den Nufenenpass, den mit 2478 m höchsten innerschweizer Pass. Vor allem im kehrenreichen Schlussteil wurde die 10%-Marke immer wieder überschritten. Viele Fahrer hatten bereits deutlich zu kämpfen, während es bei mir immer noch sehr rund lief. Nach kurzer Stärkung auf der Passhöhe die zweite Abfahrt, die ich von 2005 noch als sehr schnell in Erinnerung hatte. Doch inzwischen hatte sich die Wetterlage ziemlich verschlechtert. Bei Nieselregen und vor allem einer Sichtweite von nur noch etwa 50 Metern war höchste Konzentration angesagt. Gott sei Dank hatte ich auf den Anstiegen reichlich Zeit gut gemacht, so dass die erste Kontrollzeit in Airolo kein Problem darstellte. So manch einer dürfte hier von der angepeilten Platin-Tour auf die Gold-Tour gewechselt sein. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum von den etwa 300 für die große Runde gemeldeten Fahrern am Ende nur 160 in die Wertung kamen.
Die folgenden 35 km hätten eigentlich der Erholung dienen können, schließlich ging’s bis Biasca fast ständig leicht bergab. Doch stattdessen wurde geholzt, was das Zeug hielt. Wir waren eine Fünfergruppe und die Phasen, in denen ich im Wind fuhr haben mir ehrlich gesagt ziemlich zugesetzt. Ist einfach nicht so mein Ding, da fehlt mir einfach die Kraft. Deshalb war ich richtig froh, dass es in Biasca endlich wieder nach oben in Richtung Lukmanierpass ging.
Der ist allerdings alles andere als ein Zuckerschlecken. Nicht steil, aber mit 40 Kilometern schier endlos lang. Dazu kam, dass sich das Wetter wieder verschlechterte. Regen, Nebel — das zehrt an der Moral! Doch das sind die Momente, wo man sich immer wieder gegenseitig motiviert und so dann doch irgendwann auf dem Pass ankommt. Auch hier gab’s dann wieder eine erstklassige Versorgung mit Hochenergetischem (Gels, Energy-Drinks, …). Außerdem rissen endlich mal ein paar Lücken in die bis dahin geschlossene Wolkendecke, so dass die Abfahrt vom Lukmanier auch ihren Namen verdiente.
Mit dem vierten Pass, dem Oberalp, stand dann der leichteste auf dem Programm. „Nur“ knapp 1000 Höhenmeter, verteilt auf 23 km. Erst die letzten Kehren wurde es ein bisschen steiler, doch im Vergleich zum Lukmanier lief’s deutlich runder. Inzwischen hatte ich mich mit einem Radler aus der Nähe von Rosenheim zusammengeschlossen, der mich (bzw. ich ihn) bis fast ins Ziel begleiten sollte.
Obwohl’s inzwischen ziemlich frisch war, machte die Abfahrt nach Andermatt richtig Spaß. Kaum Verkehr und überwiegend weite Kehren, man konnte es wieder richtig laufen lassen. Es folgten weitere 500 Höhenmeter nach unten bis Wassen, wobei hier der Verkehr so stark war, dass die Abfahrt teilweise einem Slalom durch die vielen Autos glich.
Nun hieß es aber nochmals alle Kräfte zu mobilisieren. Nach bereits 230 km in den Beinen stellte sich — quasi als krönender Abschluss — der Sustenpass in den Weg. 1300 Höhenmeter auf 18 km werden hier zum Scharfrichter. Wir (der bereits erwähnte Rosenheimer, ein 21-jähriger schweizer „Jungspund“ und ich) rollten mit recht gleichmäßigem Tritt in den Anstieg und überholten immer wieder einzeln versprengte Teilnehmer der mittleren Tour, die bereits in Andermatt wieder auf die gemeinsame Strecke gestoßen waren. Wahnsinn, wie da manch einer leiden musste. Wenn man dann auch noch von Leuten überholt wurde, die bereits über 100 km mehr in den Beinen hatten, konnte das sicherlich ganz schon frustrierend sein.
So langsam neigte sich allerdings auch mein Akku dem Ende zu, so dass ich meine beiden Mitstreiter erst mal ziehen lassen musste. Nachdem ich endlich den Scheiteltunnel erreicht hatte, sah ich am Tunnelausgang die beiden allerdings noch an der Verpflegungsstation stehen, das hieß, dass ich nicht viel verloren hatte. Während der Auffahrt konnte man leider keine Abstände erkennen, da es inzwischen wieder total zugezogen hatte. Ich hab also nur schnell einen Becher Cola runtergeschüttet, um die Abfahrt wieder zusammen in Angriff zu nehmen.
Zwar besserte sich das Wetter wieder ein wenig, sogar die Straße trocknete teilweise ab, doch die Kälte bohrte sich während der langen Abfahrt immer weiter durch meinen Körper. Kein Wunder, denn die Energiereserven waren einfach aufgebraucht. Allerdings konnte ich inwischen davon ausgehen (sofern kein Sturz mehr dazwischen käme), dass ich das Ziel erreichen würde und so kitzelt man dann halt doch noch immer wieder ein paar Körner heraus.
Mit dem Ziel vor Augen war dann auch der letzte kleine Anstieg zwischen Innertkirchen und Meiringen kein Problem mehr. Toll, dass im Ziel immer noch ein paar Zuschauer ausharrten, die begeistert applaudierten und auch die persönliche Begrüßung durch den Sprecher im Ziel kommt wirklich gut! Nach 12:22:28 h war’s schließlich geschafft. Meine ursprünglich angepeilten 13 Stunden waren somit deutlich unterboten.
Was bleibt als Fazit? Trotz sehr durchwachsenem Wetter ein unbeschreiblicher Event, der an Intensität kaum zu toppen ist. Gar kein Vergleich beispielsweise zum letztjährigen Höhepunkt, dem Frankfurter Marathon. Über 12 Stunden im Sattel, sich immer wieder neu zu motivieren und am Ende das zu schaffen, was man während der laufenden Saison selbst kaum für möglich hält, kann wohl nur jemand nachvollziehen, der selbst schon mal bei ähnlichen Veranstaltungen teilgenommen hat.
Auch dem Veranstalter gebührt ein großes Lob. Seien es die gut ausgeschilderte Strecke, die immer wieder freundlichen Helfer oder die erstklassige Versorgung bei den Verpflegungsstationen — weiter so! Lediglich die Zwischenzeitkontrollen durch Mikatiming waren etwas sehr unauffällig gestaltet. Ob’s daran lag, dass ich tatsächlich die Kontrolle in Disentis verpasst hab (obwohl ich schwören könnte, auch die im letzten Moment noch gesehen zu haben), und ich deswegen in der Ergebnisliste der Gold-Tour statt der Platin-Tour auftauche, weiß ich nicht. Vielleicht kann dieser Bereicht ja zu einer Korrektur beitragen.
Ansonsten kann ich nur empfehlen: trainieren, trainieren, tranieren … und mitmachen!
Nachtrag: Inzwischen wurde auch die Ergebnisliste korrigiert. Vielen Dank!