100 km / 5400 Hm / 14:33:48 h
41. (501) Gesamt / 40. (453) Männer / 16. (192) AK
„Outrun the Sun“ – unter diesem Motto startete am vergangenen Wochenende eine Staffel bestehend aus ASICS-Läufern, um von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang das Mont-Blanc-Massiv zu umrunden. Am Ende hieß es „mission accomplished“. Nach gut 15 Stunden erreichten die Läufer wieder den Startort Chamonix.
So hochgesteckt waren meine eigenen Ambitionen beim Zugspitz Ultratrail am letzten Samstag nicht. Ich hatte meine Stirnlampe (inkl. Ersatzlampe) nicht nur in meinen Laufrucksack gepackt, weil es der Veranstalter so vorschrieb, sondern ich ging auch sicher davon aus, mindestens den langen und schweren Abstieg von der Bergstation der Alpspitzbahn wieder im Dunkeln absolvieren zu müssen. Doch es kam ganz anders!
Donnerstag, 19.06.2014. Dank Feiertag und Brückentag reisten meine Frau, meine Tochter und ich bereits am Donnerstag nach Grainau. Nach einer gemütlichen Wanderung am Eibsee besorgte ich meine Startunterlagen, wo ich bereits die ersten bekannten Gesichter traf. Am Abend stand dann noch ein letzter lockerer Lauf auf dem Programm. Meinem Aufruf auf FB folgte prompt Hendrik von trailblog.de, wodurch aus „locker“ mal eben nochmals 12 Kilometer und knapp 400 Höhenmeter wurden. Danke für die nette Runde!
Freitag, 20.06.2014. Aufgrund eines Zwischentiefs am nördlichen Alpenrand entschlossen wir uns, zum Bummeln nach Innsbruck zu fahren. Leider hatten wir nicht berücksichtigt, dass auf dem Rückweg am Abend bereits die Rückreisewelle rollen würde. So wurde es letztendlich ziemlich spät, bis wir auf der Pastaparty am Kurzentrum in Grainau eintrafen. Trotzdem war noch genügend Zeit, die gespannte aber auch sehr freudige Stimmung aufzusaugen und mit vielen Bekannten aus der Szene noch letzte Details auszutauschen.
Samstag, 21.06.2014. Endlich! Nach einer (gefühlten) schlaflosen Nacht und all dem Hype in den Tagen (oder sogar Wochen) vor dem Rennen auf diversen Laufblogs und in den sozialen Netzwerken (ich nehm mich da gar nicht aus) war’s endlich soweit. Mit fast identischer Ausrüstung wie in 2013 (sprich mehr oder weniger komplette Salomon Ausrüstung inkl. Speedcross) machte ich mich bereits um sechs Uhr auf den Weg zur Startaufstellung. Die Kontrolle der Pflichtausrüstung lief ohne Probleme. Nach und nach trudelten die über 700 Starter ein. Da ich früh dran war, reihte ich mich ganz vorn zwischen den Profis ein. Was die Pflichtausrüstung angeht, gibt’s da aber schon einen kleinen Unterschied. Die teils minimalistischen Rucksäcke konnten unmöglich die vorgeschriebene Ausrüstung beinhalten. Sei’s drum!
Punkt 7:15 Uhr erfolgte der Startschuss. Während nun normalerweise wie wild losgebrettert wird, wurde in Grainau die Meute erst mal durch den örtlichen Trommlerzug in Zaum gehalten – sehr witzig!
Wir verließen bald Grainau und es folgte der Abschnitt bis zum VP1, teilweise ein sehr flowiger Trail – genau das richtige zum Warmlaufen. Dort traf ich dann auch Matthias, den ich von den Trampelpfadtagen im Taunus kannte, und später auch noch seinen Harzer Laufkumpel Dominik. Nennenswert auf der weiteren Strecke bis zum zweiten Versorgungspunkt bei etwa Kilometer 20 sind die beiden Skipisten-Uphills. Fies steil und landschaftlich nicht unbedingt attraktiv. Aber es lief. Gegenüber der ersten Zwischenzeit aus 2013 bereits 20 Minuten gutgemacht. Hoffentlich würde sich das im weiteren Verlauf nicht rächen.
Nun folgte der schönste Teil der Strecke. Bei Kilometer 30 der dritte VP und dann der lange hochalpine Abschnitt über das Feldernjöchl und den mit knapp 2200 m Höhe höchsten Punkt der Strecke. Bergauf hatte ich einen gleichmäßigen Rhythmus gefunden und bergab spürte ich einfach, dass sich die vielen Höhenmeter im Training auszahlten. So konnte ich kontinuierlich andere Ultratrailer und bald auch die ersten Supertrail XL-Läufer (die starteten eine Stunde später in Ehrwald) überholen. Mein Bruder Carsten versorgte mich inzwischen mit den Zwischenzeiten und Positionen und allmählich freundete ich mich dem Gedanken an, die 16-Stunden-Marke knacken zu können. Während ich auf dem höchsten Punkt noch einige Selfies schoss, konzentrierte ich mich von nun an doch hauptsächlich auf den Rennen.
Auch der erste lange Abstieg bis zur Hämmermoosalm fiel mir relativ leicht. Ich füllte meine Flaschen am VP4, stopfte Bananenhälften in meinen Rucksack und nahm sofort den nächsten Anstieg zum Schanrnitzjoch auf 2048 m in Angriff. Komischerweise konnte ich mich an diesen Abschnitt aus 2013 kaum noch erinnern. Lag vielleicht daran, dass ich im Vorjahr dort schon wesentlich mehr Körner lassen musste. In unangenehmer Erinnerung hatte ich allerdings noch den Downhill zum Hubertushof. Lang und teilweise sehr steil. Kein Wunder – bereits gut die Hälfte der Strecke in den Beinen, machten sich nun doch zum ersten Mal die Oberschenkel bemerkbar.
Ein kurzer Plausch am VP mit Andrea, die auf der 80km-Strecke unterwegs war, und weiter auf der Forstautobahn Richtung Mittenwald. Dort zogen sich die Kilometer wie ein Kaugummi – zumindest mental. Doch meine Beine funktionierten nach wie vor gut und ich nutzte den flachen Abschnitt, um mit meiner Frau zu telefonieren und so das ganze etwas kurzweiliger zu gestalten.
In Mittenwald dann ein kurzer Schreckmoment. Wo war der Verpflegungspunkt? Im Gegensatz zum Vorjahr war dieser einige hundert Meter später. Puh! Dort traf ich dann auch Antje, ebenfalls auf den 80 Kilometern unterwegs und kurz darauf auch Stefan ebenfalls XL-Supertrailer. Das waren immer wieder willkommene Momente mit kurzen Gesprächen, da das Feld der Ultratrailer sich inzwischen schon extrem in die Länge gezogen hatte und oftmals weder vor mir noch hinter mir weit und breit kein weiterer Teilnehmer zu sehen war.
Ab Ferchensee (VP7) bei Kilometer 70 folgte nun der meiner Meinung nach vom Kopf her schwerste Abschnitt – eine schier endlose Forstautobahn, die mit Trailrunning eigentlich rein gar nichts zu tun hat. Doch während ich im letzten Jahr noch nach jeder Kurve hoffte, dass das Elend endlich ein Ende hatte, wusste ich ja heuer, was auf mich zukommen würde. Scheinbar ein Vorteil, da ich auch diesen Teil des Rennens ganz gut hinter mich brachte.
Richtig gemein ist der folgende Kälbersteig runter ins Reintal – steil und mit vielen hohen Stufen gewürzt. Die ersten Supertrailer holte ich nun bereits ein (60km, Start in Leutasch um 9 Uhr), die sich sichtlich abmühten.
Am Ende der Partnachklamm gab’s gegenüber 2013 eine kleine Streckenänderung, so dass nun direkt der lange Aufstieg zum Osterfelderkopf folgte. Nach kurzem Plausch mit Stefan an der VP8 also nochmals 1200 Höhenmeter bergauf. Es wurde zäh. Essen ging nicht mehr und auch zum Trinken musste ich mich zwingen. Doch frisch war dort niemand mehr. Ich hatte sowohl vor mir als auch hinter mir weitere Teilnehmer in Sichtweite, doch niemand schaffte es letztendlich den jeweils vor ihm liegenden einzuholen. Nach endlosen Serpentinen der erlösende VP9 am Längenfelder und endlich Cola! Ich glaub, ich hab mir einen halben Liter reingeschüttet und der zeigte sofort Wirkung. Es lief wieder flüssiger und die durchgegebenen Zwischenzeiten motivierten mich zusätzlich. Ich hatte gegenüber 2013 auf jedem Abschnitt weitere Minuten und Plätze gutgemacht. Sollte sogar eine Zeit unter 15 Stunden möglich sein?
Während ich letztes Jahr nach den letzten Metern bergauf an der Bergstation der Alpspitzbahn meine Stirnlampe aufsetzen musste, war es dieses Mal noch taghell. Geil! Die untergehende Sonne zauberte eine geniale Stimmung auf die Trails. Ich war wieder im Runner’s High! Die Strecke war im oberen Abschnitt halbwegs trocken und so konnte ich mich richtig in den Downhill schmeißen. Nach über 90 Kilometern ein wirklich unglaubliches Gefühl nochmals richtig Tempo machen zu können. Nach lediglich 46 Minuten für die 1300 Höhenmeter bergab erreichte ich nach 14:33 Stunden als 40. der Gesamtwertung (AK40 16.) das Ziel. Unfassbar! Das Rennen meines Lebens! Alleine für diesen Moment lohnen sich all die Mühen! Ich nahm dankend einige Glückwünsche entgegen (erwähnen möchte ich vor allem Carsten, der trotz frischer OP angereist war, super!) und genoss die Atmosphäre. Tomm, mit dem ich einen gemeinsamen letzte Ultra vor dem ZUT im Urdonautal absolvierte strahlte ebenfalls über das ganze Gesicht: er wurde über die 80 km grandioser Dritter! Da haben wir in der Vorbereitung wohl alles richtig gemacht.
Eigentlich hatte ich vor, noch auf den einen oder anderen bekannten Läufer im Ziel zu warten, doch die Kälte schlich sich dann doch recht schnell in meinen Körper, so dass ich bald zum Hotel zurückkehrte. Dafür begab ich mich in der Früh nochmals in den Zielbereich, um den letzten Finishern zu applaudieren. Nach über 25 Stunden auf den Beinen ganz großer Respekt!