Grand Canyon Rim-to-Rim-to-Rim

80 km / 3344 Hm / 13:57:41 h

Las Vegas – eine Stadt wie eine Filmkulisse, die so gar nicht zum Laufen einlädt. Trotzdem hatte ich auf meiner Geschäftsreise dorthin natürlich meine Laufsachen dabei, bin einmal den „Strip“ abgelaufen und drehte sogar eine morgendliche Runde mit gleichgesinnten Konferenzteilnehmern.

Als ich im Vorfeld der Reise die Karte rund um Vegas studierte, sprang mir ein Punkt sofort ins Auge: der Grand Canyon! Für amerikanische Verhältnisse „nur“ gut 400 km entfernt. Da sollte doch was gehen! Ich erinnerte mich sofort an Berichte über den sogenannten Rim-to-Rim-to-Rim-Lauf, also die doppelte Durchquerung des Canyons, für viele Trailrunner ein „once-in-a-lifetime“ Erlebnis.

Doch das Zeitfenster, das mir zur Verfügung stand, war ziemlich knapp. Bis ich nach Konferenzende meinen Mietwagen abgeholt hatte und alles gepackt war, war es schon acht Uhr abends. Es folgten 4,5 Stunden langweiliges Highway-Cruisen, ehe ich in Grand Canyon Village um 1:30 Uhr in der Nacht ankam. Nach zwei Stunden Schlaf im Auto gab es zum „Frühstück“ einen ersten Cliffbar. Die Temperaturen waren inzwischen auf knapp über null Grad gesunken, so dass ich erst mal fast alle Laufklamotten anzog, die ich dabei hatte. Mein Auto hatte ich zwischen den beiden möglichen Trailheads der Südseite, von denen jeweils ein Weg hinunter zum Colorado führt, geparkt. So musste ich erst mal knapp vier Kilometer auf dem asphaltierten (und bei Tag extrem aussichtsreichen) Rim-Trail bis zum South-Kaibab Trailhead laufen.

Nun ging’s aber rein ins pure Vergnügen. 1300 Höhenmeter Downhill auf gut 11 Kilometern Länge. Gerade im oberen Teil war der teilweise sehr matschige Trail in der Nacht durchaus anspruchsvoll. Die landschaftliche Schönheit hingegen konnte ich im Dunkeln nur erahnen. Ich kam ziemlich gut voran, überholte drei andere Trailrunner, die ebenfalls das Double-Crossing anpeilten und erreichte bald die Brücke über den Colorado.

Auf dem Bright Angel Campground und der Phantom Ranch herrschte bereits reges Treiben. Da ich komplett auf Selbstversorgung eingestellt war (ausgenommen Wasser), lief ich sofort weiter und nahm den fast 23 Kilometer langen und mit 1700 Höhenmetern gespickten North-Trail in Angriff. Nach einer weiteren Stunde begann es zu dämmern und ich konnte zum ersten mal die atemberaubende Landschaft bewundern. Verrückt! Vor wenigen Stunden noch im surrealen Las Vegas und nun mitten im Trailrunner’s Paradise!

Während das erste Drittel des Nordanstiegs von steilen Felswänden geprägt ist, erinnert der mittlere Teil mit seinen Kakteen und Agaven eher an trockene Steppenlandschaft. Die Steigung bis dorthin ist eher moderat und ich konnte fast alles laufen.

Das letzte Drittel des North-Trail kann man ganz einfach nur als traumhaft bezeichnen! In den Fels geschlagene/gesprengte Pfade und dazu diese einmalige Kulisse. Ich bog um eine Kurve nach der anderen und merkte vor lauter Begeisterung gar nicht, dass ich schon bald 40 Kilometer in den Beinen hatte. Dazu hatte ich ausgesprochenes Glück mit dem Wetter. Nicht zu heiß, aber trotzdem so warm, dass ich auf dem höchsten Punkt, dem Trailhead des North-Trails auf 2460 m von Langarm auf Kurzarm wechselte.

Nach einer kurzen Pause inklusive erstmaligem Auffüllen der Wasservorräte stürzte ich mich in den endlosen Downhill. Mit verändertem Lichteinfall und in umgekehrter Richtung wieder ein landschaftlicher Aha-Moment nach dem anderen. Und im Gegensatz zum Anstieg noch am frühen Morgen konnte ich nun auch die engen Schluchten im unteren Drittel in vollen Zügen genießen.

An der Phantom Ranch legte ich dieses Mal eine kurze Rast ein, ehe ich den finalen Anstieg in Angriff nahm. Nochmals etwa 1300 Höhenmeter auf knapp 16 km Länge. Laufen war nun nicht mehr drin. Nach 60 Km konnte ich aber zumindest die Wanderer flott marschierend überholen, von denen sich einige ganz schön hoch quälen mussten und von der atemberaubenden Landschaft wohl nicht mehr viel mitbekommen haben.

Nach 13,5 Stunden, 80 km und knapp 3400 positiven Höhenmetern war es geschafft. Ich hatte die Nordkante locker noch bei Tageslicht erreicht, schoss die letzten Fotos und nutzte den Rim-Trail bis zum Parkplatz zum Auslaufen.

Leider musste ich sofort die Rückfahrt nach Las Vegas antreten, da mein Rückflug bereits für den nächsten frühen Morgen geplant war. Trotzdem hat sich die Aktion natürlich mehr als gelohnt! Once-in-a-lifetime – mindestens.

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