266 km / 6620 Hm / 12:20:59 h
71. (146) Gesamt
Die große Runde des Alpenbrevets könnte nicht passender bezeichnet werden, stellt sie doch tatsächlich eine enorme Herausforderung dar. Bis vor wenigen Jahren galt noch der Ötztaler Radmarathon, den ich 2002 absolvierte, als härtester Alpenmarathon. Vergleicht man die beiden Veranstaltungen rein zahlenmäßig, so entspricht das Alpenbrevet in etwa dem Ötztaler mit anschließender Fahrt von Sölden auf den Rettenbachferner (den die Profis im Rahmen der Deutschlandtour am vergangenen Donnerstag bezwingen mussten).
Um 6:30 Uhr ging’s zusammen mit etwa 350 bis 400 weiteren Fahrern an den Start. Zwar hatte der Wetterbericht gutes Wetter vorausgesagt, doch pünktlich zum Start fing es an zu regnen. So war bereits auf den ersten 10km von Andermatt nach Wassen höchste Konzentration gefordert, um bei schlechter Sicht und nasser Fahrbahn nicht schon zu Beginn zu stürzen.
Mit einem Höhenunterschied von gut 1300m und einer Länge von 18km war bereits das erste Hindernis – der Sustenpass – ein ganz schöner Brocken. Auch während der Auffahrt ließ der Regen nicht nach. So hoffte ich, dass wenigstens nach dem Scheiteltunnel der Himmel endlich aufreißen würde. Doch ganz im Gegenteil, nach dem Überschreiten der Passhöhe war die Sicht noch schlechter und es strömte nun wie aus Kübeln. Die anschließende Abfahrt bei Temperaturen von unter 10 Grad und völlig durchnässt war die reinste Hölle. Nach nur wenigen Minuten zitterte mein ganzer Körper. Da war es auch kein Trost, dass es den anderen Fahrern nicht besser erging. Man hätte meinen können, alle seien mit butterweichen Stahlrahmen unterwegs, so zitterten sich alle nach unten. Mir war klar, dass ich niemals die große Runde fahren würde, falls sich dass Wetter nicht bessern würde.
Doch auf dem Weg zum Grimselpass sah die Welt schon wieder anders aus. Schließlich mussten über 1500 Höhenmeter auf einer Strecke von 26km zurückgelegt werden und als es dann auch noch zu regnen aufhörte, war mein Körper wieder schnell auf Betriebstemperatur. Der Pass selbst ist gar nicht so heftig, wie es die Zahlen vermuten lassen. Ich fand schnell meinen Rhythmus und es formierte sich auch eine kleine Gruppe aus etwa gleich starken Fahrern.
Nach der kurzen Verpflegung auf der Passhöhe folgte eine relativ kurze Abfahrt nach Ulrichen, bevor mit dem Nufenen der steilste Pass im Profil stand. Trotz einer durchschnittlichen Steigung von 8% auf einer Länge von 14km und den zwei ersten Pässen bereits in den Beinen lief es immer noch erstaunlich gut. Und die langsam aufreißende Wolkendecke steigerte zusätzlich die Motivation. Auf der Passhöhe hatte der Veranstalter wieder einen reichlich bestückten Verpflegungsposten aufgebaut.
Die anschließende Abfahrt hat dann richtig Laune gemacht. Bei Rückenwind ging’s mit rasendem Tempo nach Airolo. Leider hatte mein Tacho bereits nach 50km den Geist aufgegeben (wohl zu viel Wasser „geschluckt“), doch über 80km/h waren’s locker.
Die folgende etwa 40km lange und ständig leicht abschüssige Passage hätte eigentlich der Erholung dienen sollen. Stattdessen musste ich mich voll ins Zeug legen, um die Gruppe, die sich hier zusammengefunden hatte, zu halten. Da wurde so ein Höllentempo vorgelegt, dass ich selbst im Windschatten Probleme hatte, nicht den Anschluss zu verlieren. Kurz vor Biasca ließ ich dann doch reißen, um nicht zu viele Körner zu verbraten. Denn schließlich standen nach etwa 4000 Höhenmetern noch zwei weitere Pässe auf dem Programm.
Der Lukmanierpass ist mit seiner Länge von über 40km eher eine mentale Herausforderung. Nach wenigen Kilometern gab’s die nächste Verpflegung und dort traf ich dann auch wieder auf die Gruppe, die ich kurz vor Biasca verlor. Ich begab mich schnell auf die Weiterfahrt und fand wieder einen guten Rhythmus. Etwa fünf Kilometer vor der Passhöhe holte mich die Gruppe wieder ein, doch ich konnte deren Tempo ohne große Mühen aufnehmen.
Die anschließende Abfahrt nach Disentis diente nochmals dazu, die Kräfte zu sammeln, um den letzten Pass in Angriff zu nehmen. Wieder fand sich dieselbe Gruppe zusammen und so waren die ersten Kilometer des Oberalppasses bei kräftigem Rückenwind kein Problem. Es lief sogar so gut, dass ich kurz vor den letzten Kehren zur Passhöhe aus der Gruppe herausfahren konnte. Mit der Gewissheit, es gleich geschafft zu haben, mobilisierte ich nochmals ungeahnte Reserven. Ein kurzer Händedruck eines Schweizer Mitfahrers auf dem Pass, ein letztes Mal die Windjacke übergezogen und freudestrahlend hinab ins Tal nach Andermatt.
Mit einer Gesamtzeit von 12:20 Stunden und Platz 71 war ich mehr als zufrieden. Wie sich später herausstellte, haben sich nur 146 Fahrer platziert. Ich vermute mal, dass aufgrund der wirklich miserablen Bedingungen zu Beginn und des knappen Zeitlimits am Abzweig zur Classic-Strecke viele Fahrer den Weg über den Gotthardpass zurück nach Andermatt nehmen mussten.
Wer jetzt Lust bekommen hat, selbst mal am Alpenbrevet teilzunehmen, dem kann ich nur sagen: absolut empfehlenswert! Wer’s nicht ganz so extrem mag, der Veranstalter bietet auch zwei abgespecktere Varianten an.