Zugspitz-Ultratrail 2013

100 km / 5420 Hm / 16:08:22 h
76. (450) Gesamt / 73. (411) Männer / 27. (163) AK

Was war das für ein emotionaler Moment, nach knapp über 16 Stunden um die letzte Kurve zu biegen, durch den Zielbogen zu laufen und tief bewegt zu realisieren: ja, ich hab’s gepackt, ich war 100 Kilometer auf den Füßen und hab dabei fast fünfeinhalbtausend Höhenmeter bezwungen!

Doch der Reihe nach.

Im Gegensatz zum Highlight 2012, dem Swissalpine K78, wo ich noch im Auto übernachtete und direkt nach dem Rennen wieder heimfuhr, gönnte ich mir heuer zwei Übernachtungen im Hotel (man wird ja schließlich nicht jünger). Ich reiste also gemütlich am Freitag an, um mir stressfrei die Startunterlagen zu besorgen und beim anschließenden Briefing ein paar Trampelpfadläufer, die ich teilweise beim 1. Taunus Trailrunning Wochenende kennen gelernt hatte, zu treffen. Zu den Peitschenhieben der Goaßlschnalzer wurde Pasta gefuttert und fleißig fachgesimpelt.

Zurück im Hotel packte ich erst mal sehr akribisch meinen Laufrucksack. Ich ging mehrmals durch die Liste der Pflichtausrüstung, um sicher zu stellen, dass auch ja alles dabei war. Erste Zeichen von Nervosität!

Doch dann kam die Nacht und die war wirklich Horror! Im Zimmer war’s trotz geöffnetem Fenster reicht heiß. Ich hatte das Gefühl, dass meine Füße allmählich immer weiter anschwellen würden. Ich tränkte ein Handtuch mit kaltem Wasser und wickelte meine Füße darin ein, was aber auch nicht wirklich half. Der reinste Psychoterror! Irgendwann bin ich dann wohl doch eingeschlafen, allerdings bevor der Wecker um fünf klingelte auch schon wieder aufgewacht. Der Spuk mit den Füßen hatte sich aber Gott sei Dank erledigt.

Die Wirtin des Hotels, Frau Richter, war bereits um vier Uhr morgens aufgestanden, um uns Läufern das Frühstücksbuffet herzurichten – klasse Service!

Anschließend ging es mit folgender Ausrüstung zur Startaufstellung:

  • Salomon Speedcross 3
  • Salomon Exo S-Lab Zip Tee Kurzarmtrikot
  • Salomon Exo Wings Twinskin Short
  • CEP Kompressionsstrümpfe
  • Salomon Advanced Skin S-Lab 12 Set Laufrucksack mit vorgeschriebener Pflichtausrüstung
  • Armlinge
  • Gore Running Wear Laufcap

Während sich der Startblock langsam füllte, traf ich auch Sebastian. Wir hatten vor, das Abenteuer so weit möglich gemeinsam zu bestreiten. Pünktlich um 7:15 Uhr fiel der Startschuss.

So ein Rennen teilt man sich ja in Abschnitte ein. Man konzentriert sich auf das nächste Teilstück und lässt sich auch nicht von Schildern wie “95 km to go” irritieren. So spulten wir ganz locker die ersten 10 km bis zur ersten Verpflegung am Eibsee herunter. Die 500 Höhenmeter bis dort hin bereiteten keine Probleme.

Bis V2, bereits nach 18 km, kamen nochmals gut 600 Höhenmeter hinzu, die dann doch ab und an eine deutlichen Temporeduzierung erzwangen. Beim ersten nennenswerten Downhill allerdings, hinunter zur Talstation der Ehrwalder Zugspitzbahn, kam der Flow. Ich war richtig drin im Rennen! Gerne wäre ich weiter zusammen mit Sebastian gelaufen, bis dahin haben wir sehr gut harmoniert. Doch bei so einer Distanz muss letztendlich jeder seinen eigenen Rhythmus finden. Sebastian, ich hoffe Du hast mir das nicht übel genommen!

Das folgende Teilstück war recht abwechslungsreich: steile Skipisten wechselten mit Forststraßen und wirklich fies steilen Singletrails, ehe ich die dritte Verpflegungstelle auf der Ehrwalder Alm auf 1617 m Höhe erreichte. Nach immerhin 29 km und 1900 positiven Höhenmetern also Zeit, die Speicher wieder richtig aufzufüllen. Leider hab ich es wohl etwas übertrieben, denn kurze Zeit später quälten mich massive Magenkrämpfe. Die behinderten mich zwar nicht wesentlich am Weiterkommen, doch vom Kopf her war das schon ein kleiner Tiefpunkt, noch nicht einmal nach der Hälfte des Rennens.

Dafür ging es nun endlich in hochalpine Regionen. Mit Feldernjöchl, Wannigjöchl und Steinernes Hüttl ein stetiges auf und ab auf einer Höhe um die 2000m. Die Sicht betrug teilweise kaum mehr als 20m, die Strecke war allerdings durch den Veranstalter PlanB ausgezeichnet markiert, so dass man nie Angst haben musste, plötzlich irgendwo alleine in der Pampa zu stehen. Für besondere Action sorgten die Schneefelder. Das längste (ich schätze mal 200m) war mit einem Fixseil gesichert. Die Hacken also in den Schnee gerammt, das Seil in die Hand und ab gings! Gemeinerweise befand sich am Ende ein richtig schönes Matschloch, in dem sich einige Teilnehmer unfreiwillig suhlten. Auf den folgenden 500 Höhenmetern Downhill zur Hämmermoosalm meldeten sich dann zum ersten mal meine Oberschenkel: “He, mach mal etwas langsamer, wir haben gerade mal Marathondistanz!” Ok, Gang raus und an der nächsten Verpflegung statt Gel zwei Stück Kuchen und eine Banane geschnappt.

Ich hielt mich nie besonders lange an den Verpflegungsstationen auf. Flaschen aufgefüllt und weiter. Bei etwas langsamerem Tempo gegessen und dann wieder möglichst schnell den Rhythmus gefunden. Das war auch nötig, denn es folgte mit dem Scharnitzjoch der nächste harte Brocken, wieder 600 Höhenmeter Anstieg. Irgendwie hab ich diesen Abschnitt gar nicht mehr so präsent. Liegt vermutlich daran, dass sich dort das Feld schon ziemlich in die Länge gezogen hatte und ich die meiste Zeit alleine, in Gedanken versunken, unterwegs war. Gut erinnern kann ich mich allerdings an den anschließenden 1000 Höhenmeter Downhill. Vor allem die letzten Kilometer waren richtig steil. Psychologisch vorteilhaft war nun aber, dass die Hälfte der Strecke und knapp 3500 Höhenmeter schon geschafft waren.

Am Hubertushof, der fünften Verpflegung, schlürfte ich zum ersten Mal Suppe (mit extra viel Salz). Außerdem hätte dort ein kurzer ärztlicher Check stattfinden sollen. Vermutlich lag’s daran, dass ich die Zuschauer zu einer La Ola-Welle animierte, warum mich der Arzt einfach durchgewunken hatte. Drop-Bag mit Wechselwäsche hatte ich nicht abgegeben. Schließlich schleppte ich ja eh einen Rucksack vollgestopft mit der Pflichtausrüstung mit mir rum.

Die nächsten knapp 10 Kilometer empfand ich als ziemlich zäh. Ein ebener, ausgelatschter, breiter Wanderweg und weder vor mir noch hinter mir Läufer in Sicht. Um so besser, dass mich Nicole und Michael mit Sohnemann Felix genau dort an der Strecke unterstützten. Die drei hatten ihren Tagesausflug extra so gelegt, um mich an der Strecke zu treffen und mich mit ein paar extra Leckerlis zu versorgen: Cola, Michschnitte und Kinderpingu (der Geheimtipp!). Super Aktion und sehr motivierend!

Bis auf einen Schluck Wasser konnte ich die Verpflegung in Mittenwald somit links liegen lassen. Die folgenden knapp fünf Kilometer Trail bis zum Ferchensee liefen recht locker. Inzwischen ja wieder auf deutschem Boden, postete ich meine aktuellen Positionen fleißig bei Facebook, was sehr rege mit allerlei Anfeuerungskommentaren beantwortet wurde. Quasi als Ersatz für die fehlenden Zuschauer an der Strecke, wirklich toll!

V7 nutzte ich zum gefühlten 20. Mal, um Steine aus meinen Schuhen zu entfernen, bevor der vielleicht anstrengendste Teil kam. Eine breite Forstautobahn, mit Anstiegen, die zum Laufen knapp zu steil waren, aber beim Gehen endlos erschienen. Und das bei Kilometer 75. Der Charakter der Strecke änderte sich aber schlagartig kurz vor V8. Ein teils schmaler technischer Trail, mit hohen Stufen, vielen Wurzeln und 400 Höhenmetern hinunter auf 800m Höhe. Hier überholte ich die ersten Supertrailer, die zwei Stunden nach uns in Leutasch starteten, um die 70-km-Strecke in Angriff zu nehmen. Die hatten teilweise wirklich hart zu kämpfen!

Finale!

Vor den letzten 20 Kilometern mit nochmals 1200 Höhenmetern Anstieg zur Bergstation der Alpspitzbahn und 1300 m Abstieg ins Ziel legte ich mir folgende Taktik zu recht: rauf alles geben, runter wird dann schon noch irgendwie gehen!

Kurz nach der Verpflegung gab mir mein Bruder via FB den aktuellen Zwischenstand durch: Platz 92. Wow! Die Top100 wären klasse. Ab da war ich im Runner’s High. Ich fand einen Mitläufer (zugegeben, beim letzten Anstieg gab’s wenig Stellen, wo man tatsächlich laufen konnte), dem es ähnlich gut zu gehen schien wie mir. Und so sammelten wir Läufer um Läufer ein und windeten uns Serpentine um Serpentine hoch zur Talstation Längenfelder, was gleichzeitig die vorletzte Verpflegung darstellte. Kaum zu glauben, dass es auf die 90 Kilometer zu ging, noch nie zuvor war ich so weit gelaufen.

Die nun folgende Forststraße hoch auf 2029 m zur Bergstation war voll am Anschlag. Trotzdem war’s genial. Die Sonne war inzwischen untergegangen, Abendrot legte sich über die Bergsilhouette und der Vollmond begleitete uns. Was für eine Stimmung. Wenn mich jemand fragt, warum ich mir so etwas antue, dann sind das genau diese Momente, unbeschreiblich!

Am höchsten Punkt angekommen war’s inzwischen ziemlich dunkel. Auch wenn die Bergwacht nicht darauf hingewiesen hätte, hätte wohl spätestens dort jeder seine Stirnlampe ausgepackt. Viele Teilnehmer (die meisten waren inzwischen eingeholte Supertrailer, die Abstände zwischen den Ultraläufern waren ziemlich groß) nutzten außerdem die Gelegenheit, sich richtig einzupacken. Ich zog mir lediglich eine leichte Mütze über und stürzte mich in den letzten Downhill. Der technischste Teil der gesamten Strecke, nass, dunkel und 90 km in den Beinen. Die Rundhölzer, mit denen die Stufen befestigt waren, waren wirklich fies. Bei Trockenheit hätte man sich dort richtig gut Schritt für Schritt abstützen können, doch die Dinger waren glatt wie Schmierseife. Die Kunst war nun, ein nicht unnötig hohes Risiko einzugehen, aber trotzdem irgendwie im Flow zu bleiben. Vielleicht war es ja auch meine Erfahrung durch unzählige Trainingsläufe bei Nacht, die mir beim Abstieg geholfen hat. Denn es lief super. Die Lichter der Ortschaften im Tal kamen schnell näher und so bog ich gegen 23 Uhr auf die Asphaltstraße in Grainau. Die letzten zwei Kilometer, letzte Kurve, Zielbogen und wir wären wieder beim Ausgangspunkt der Geschichte.

Besonders grandios war, dass Orkan, Martin und Carsten, die den Base- bzw. Supertrail gelaufen waren, immer noch im Ziel auf mich warteten und mich jubelnd begrüßten. Dieser Moment hat sich jetzt schon fest in mein Sportlergedächtnis eingebrannt!

Bei Erdbeerkuchen und ein paar alkoholfreien Weizen tauschten wir unsere Erlebnisse aus und warteten schließlich noch auf Sebastian, um auch ihn gebührend zu feiern. Hat man das Funkeln in den Augen der Läufer gesehen, wie sie durchs Ziel laufen, dann weiß man, was uns antreibt.

Nicht vergessen möchte ich, den Organisatoren von PlanB ein ganz großes Lob auszusprechen. Angefangen beim Briefing, der hervorragenden Markierung der Strecke, der Verpflegung, dem stets freundlichen Helferinnen und Helfern, da gibt’s nichts auszusetzen.

Enttäuscht bin ich allerdings von den Fotos der Agentur Sportograf. Lediglich zwei Positionen, keine Bilder von den Hochgebirgspassagen, das war nix! Statt Facebook-Liveberichterstattung werde ich mich beim nächsten Mal wohl wieder auf’s Knipsen konzentrieren müssen (oder beides).

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